613 Tage lang Corona: Seltener Infektionsfall vorgestellt

Manche Menschen haben ein derart geschwächtes Immunsystem, dass sie
ihre Corona-Infektion nicht mehr loswerden. Ärzte stellen nun einen
besonders extremen Fall vor.

Barcelona/Amsterdam (dpa) - Forschende aus den Niederlanden berichten
von einer extrem langen Coronainfektion eines im vergangenen Jahr
gestorbenen Mannes - und warnen vor der Entstehung gefährlicherer
Varianten. Der aufgrund von Vorerkrankungen immungeschwächte ältere
Mann sei im Februar 2022 mit einer Sars-CoV-2-Infektion in eine
Klinik in Amsterdam eingeliefert worden, hieß es in einer Mitteilung.
Bis zu seinem Tod im Oktober 2023 sei er ununterbrochen coronapositiv
gewesen - insgesamt 613 Tage lang. Zuvor waren bereits andere Fälle
sehr langer Infektionen bei Menschen bekannt geworden, deren
Immunsystem das Virus nicht ausreichend bekämpfen konnte. 

Die Ergebnisse wollen die Forscher um Magda Vergouwe von der
Universität Amsterdam Ende April auf einem Kongress der Europäischen
Gesellschaft für klinische Mikrobiologie und Infektionskrankheiten in
Barcelona vorstellen. Der Fall ist für Forscherinnen und Forscher
auch deshalb interessant, weil sich das Coronavirus in solchen
Langzeit-Infizierten besonders stark verändern kann. Das birgt die
Gefahr, dass Varianten des Virus entstehen, die das Immunsystem von
gesunden Menschen leichter überwinden können.  

Die Forschenden in den Niederlanden hatten immer wieder Proben von
dem Mann genommen, um das Erbgut des Coronavirus zu untersuchen.
Dabei stellten sie insgesamt mehr als 50 Mutationen im Vergleich zu
der zu jener Zeit kursierenden Omikron-Variante BA.1 fest, darunter
auch solche, mit denen das Virus der Immunabwehr entgehen könne.
Bereits 21 Tage, nachdem der Mann ein bestimmtes Coronamedikament
bekommen hatte, entwickelte das Virus zudem Merkmale einer Resistenz
dagegen. 

Der Mann starb schließlich am Wiederaufflammen einer seiner
Vorerkrankungen. Mit seiner mutierten Version des Coronavirus hatte
er, nach allem was bekannt ist, niemanden angesteckt. 

«Dieser Fall unterstreicht das Risiko, das von andauernden
Sars-CoV-2-Infektionen bei immungeschwächten Personen ausgeht»,
werden die Forscher in der Mitteilung zitiert. Durch die umfangreiche
Entwicklung des Virus bei einem einzelnen Patienten könnten sich
einzigartige Varianten herausbilden. Es sei wichtig, die Evolution
des Coronavirus in immungeschwächten Personen genau zu überwachen. Es
bestehe die Gefahr, dass Varianten entstehen und sich in der
Gesellschaft verbreiten, denen das Immunsystem gesunder Menschen
weniger anhaben kann.